Das war ein Ritt…
Es begann schon, als wir loswollten, beim Ankerauf-Manöver. Plötzlich war der Anker blockiert. Eine kurze Abklärung des Kapitäns ergab, dass die Sicherung der Ankerwinsch durchgeschmort war. Der Anker lag noch auf dem Grund, aber es war nicht sicher, dass er auch halten würde, denn der grösste Teil der Kette war bereits im Ankerkasten. Heinz ging eine neue Sicherung suchen. Ich behielt den Plotter im Auge, ob das Boot eventuell „wandert“. Beim Wechseln der Sicherung darf man nicht vergessen, laut zu fluchen. Damit geht es nicht schneller, aber besser. Besonders als die „heilige“ Schraube, sprich die, für die es keinen Ersatz gibt, im Nirwana der elektrischen Abteilung unter dem Kapitänstisch verschwand. Mit Taschenlampe und Grillzange gelang es Heinz, die Schraube zu bergen. Dabei stiess er üble Versprechungen gegenüber Sunreef, dem Bootsbauer, aus. Mit einer Stunde Verspätung legten wir ab. Das war ein Omen, ein Zeichen, eine Vorsehung. Mir wird übel.
Wir hatten die Strömung gegen uns
Mit Genua, Grosssegel und beiden Motoren brachten wir es auf satte 8 Knoten. Leider kamen am Boot nur 3-4 Knoten wegen der Strömung an! Mir ist elendig schlecht.
Ein Squall nach dem anderen, auch mit Gewittern, zog über oder neben uns auf – nicht gut. Ein Blitzeinschlag könnte die gesamte Elektronik des Katamarans lahmlegen. Heinz schlägt Haken, um dem schlechten Wetter so gut es geht auszuweichen. Wir wollten in der zweiten Nacht das Segel erneut in der Dämmerung herunternehmen. Das ist ungefährlicher, als so eine Aktion in der Nacht auszuführen. Das Segel klemmt! Es hilft nichts, Heinz muss auf dem offenen Meer bei gut 1.5-2 Meter Wellen auf das Dach der Flybridge klettern. Mein Magen schlägt Purzelbäume. Mit einem Spray macht der Kapitän den Kanal für die Rollen im Mast wieder gangbar. Jetzt runter mit dem Segel. Alle Leinen sind gerefft und das Segel ist unten. Geschafft!
Das Tuch muss am nächsten Tag wieder rauf
Wir haben das Gefühl, wir treten auf der Stelle. Die Strömung vermiest uns die Passage. Trotz der konstanten 20-25 Knoten Wind von Backbord kommen wir kaum voran. Gegen Abend hatten wir bis zu 30 Knoten Wind und ziemliche Wellen. Zack, ein Entscheid – runter mit dem Tuch, vergiss die Reffleinen. Manöver geklappt. Segel unten und Mann und Mannschaft an Bord. Da entwickelt sich das nächste Problem. Das Segel rutscht aus dem Baum, da der Lazy Jack, der Sack für das Segel, aus der Schiene gesprungen ist. Das Tuch droht sich seitlich zu öffnen und in Richtung Wasser zu rutschen. Heinz holt ein Seil, bringt das Boot in eine möglichst ruhige Position. Wortlos steigt mein Held aufs Dach und sichert das Segel, indem er es am Baum festbindet. Dann kriecht er auf allen Vieren nach vorne, um ein doofes Kissen zu retten, das nur noch an einem Druckknopf hängt. Schön, aber unnötig. Meine Nerven… Besonders meine Magennerven…
Es ist dunkel, das Wasser tönt wie ein brodelnder Kessel. Nach bangen Minuten ist das Segel sicher, das Kissen gerettet. Jetzt segeln wir definitiv nur noch mit der Genua. Unter den Bedingungen bekommen wir das Grosssegel nicht mehr auf.
Die Wellen gingen über das Boot
Alles war versalzen. Hatte ich erwähnt, dass mir übel war? Wenn ich Wache hatte, stellte ich mir alle 16 Minuten einen Alarm. Nur nicht einschlafen. Ich hatte die Anzeigen vom Plotter auf dem iPad gespiegelt. Dank Radar würden wir damit auch die Boote, die ohne AIS unterwegs waren, sehen. Auch die Squalls, die Schlechtwetterfronten, sind auf dem Radar sichtbar und wir können reagieren. Bei mir reagiert nur eines – der Magen.
Dann ein lautes Pfeifen, Bilgealarm
Wasser im Boot! Wie viel, war noch nicht abschätzbar. Ich wecke Heinz. Die Pumpe ist schon angesprungen und saugt das Wasser ab. Zum Glück war die Menge überschaubar. Heinz ist einfach nur fertig. Er nimmt das Wasser zur Kenntnis, meint, wenn es wieder Alarm gibt, gehe ich der Sache nach – legt sich hin und schläft! Kapitän, deine (Magen-)Nerven möchte ich haben. Wir hatten noch einen zweiten Alarm, dann war Ruhe. In den Tagen vor unserer Abreise hatte es in Puerto Rico teilweise sehr stark geregnet und wir hatten eine Luke vergessen zu schliessen. Durch das Schaukeln hatte sich das Wasser bei der Pumpe gesammelt. Nur so konnten wir uns das erklären.
Fazit
Montagmorgen um ein Uhr sind wir in Boqueron, Puerto Rico, gestartet. Donnerstagmorgen um drei Uhr haben wir in Curacao angelegt. Der Security half uns mit den Leinen. Die Klampen am Steg waren leider nicht fest angezogen. So waren wir mit den Leinen zwar an den Klampen, aber die waren sozusagen flexibel verschiebbar. Heinz kam wieder zum Einsatz. Nach vier Nächten auf See zog er die Schrauben der Klampen am Ponton an. Was für ein Trip. Nur noch schlafen und dafür mit der Klimaanlage das Boot runterkühlen. Natürlich, sie funktioniert nicht, die Klimaanlage… Zurück zum Beginn der Reise – zum Ankerauf-Manöver von Montagabend. Ein Fluch in Richtung Polen, zu Sunreef, war wieder fällig.
Kaum stand ich auf dem Ponton, linderte das meine Übelkeit schlagartig. Trotzdem habe ich auf dem Weg zu den ABC-Inseln drei Kilogramm verloren. Ich hoffe, ich finde sie nicht wieder. Ich werde sie jedenfalls nicht suchen.
Curacao ist wunderschön und der Hafenmeister JJ ist sehr freundlich und zuverlässig. Wir fühlen uns sehr wohl hier und erkunden die Insel mit dem Mietauto
Information
- Bilder: Sabine Löwenthal
- Datum: Mai 2025














