Die tanzende Boje und der floatende Jerry
In Deshaies lagen wir an einer Ankerboje. Der Wind machte mit uns, was er wollte. Die Boje war mit einem überdimensionierten Metallring versehen, um die Leinen daran zu befestigen. Eigentlich eine gute Sache – je grösser der Ring, desto einfacher für mich das Einfädeln der Leinen beim Festmachen. Doch der Ring hielt uns, also besser gesagt mich, nächtelang wach. Wie ein Hammer klopfte er gegen den Schiffsrumpf. An einem Tag nahmen wir die Leinen länger, am nächsten dann wieder kürzer – aber es klang immer, als würden die Klampen oder die Boje dem Druck der 42 Tonnen Gewicht von R9B nicht standhalten.
Am Abend vor unserer Weiterfahrt Richtung Antigua stellten wir fest, dass sich die Seile um Boje und Ring gewickelt hatten. Das wollten wir nicht am nächsten Morgen entwirren – um 5 Uhr wollten wir nur aufstehen und abfahren.
Lieber jetzt erledigen.
Das bereits gesicherte Dingi lösten wir wieder von den Gurten und liessen es ab der Plattform ins Wasser. Ich blieb an Bord, um die Seile zu lösen und neu zu befestigen, während Heinz im Dingi mit einem Seeungeheuer kämpfte – zumindest sah es so aus. Das Beiboot war mal unter dem Schiff, dann wieder davor. Dann war das Dingi über den Leinen vom Boot zur Boje. Waren diese unter Zug, hing das Dingi fast in der Luft.
Die Leine an Backbord liess sich nicht lösen, auch nicht unter Zug der Maschinen. Wir mussten tatsächlich eine neue Leine ausbringen und die 22 Millimeter dicke, 20 Meter lange Leine dem Meer überlassen. Nach dieser Aktion fielen wir ins Bett. Die Nacht war kurz, und nach Antigua waren wir tags darauf fast neun Stunden unterwegs.
Welcome back – Antigua Slipway
Auf dem Weg nach Antigua ist das Code-0-Segel eingerissen. Wir nutzen den Aufenthalt hier, um das Karbonsegel reparieren zu lassen. Wir haben einen Platz bei Antigua Slipway bekommen. Hier hatten wir in der letzten Saison R9B auswassern dürfen, um unsere Ruder reparieren zu lassen, nachdem wir in Jolly Harbour eine Grundberührung hatten. Die Grundberührung war unschön, die Betreuung hier bei Antigua Slipway dafür erstklassig. Wir freuen uns, wieder hier sein zu dürfen.
Gute Gastronomie
Antigua bietet eine Vielzahl guter Restaurants. Zugegeben, sie sind nicht ganz günstig, aber lieber zahlt man etwas mehr und isst gut, statt sich nur irgendwie zu ernähren (Zitat des Kapitäns). Wir waren etwas spät dran und mit dem Beiboot unterwegs zum Mittagessen Richtung Englischer Hafen. Dabei fiel uns ein junger Typ in einem Superyacht-Beiboot auf. Schüchtern winkte er uns zu. Ich dachte, er liegt vor Anker und ist einfach freundlich. Als wir näher kamen, wurde sein Winken heftiger – mittlerweile schwang er die Arme wie eine Windmühle im tropischen Sturm. Wir hielten an.
Heinz verstand den jungen Mann erst nicht, also übersetzte ich frei: Er fragt, ob wir ihn abschleppen können.
Das Mittagessen musste warten
Der junge Kerl – Jerry, wie wir später erfuhren – lag mit dem Boot nicht vor Anker. Das etwa eine Tonne schwere Speedbötchen mit drei überdimensionierten Motoren trieb langsam, aber sicher auf die Superyachten zu. Ab dem 4. Dezember startet hier in Antigua eine fünftägige Bootsshow, bei der interessierte, zahlungskräftige Kunden die Yachten besichtigen und chartern können.
Zurück zu Jerry:
Er konnte weder steuern noch ankern, noch sonst irgendetwas machen. Wir fischten seine einzige Leine aus dem Wasser, die unter dem Bug im Wasser hing, und versuchten, ihn zur Superyacht zu ziehen. Da wir unvorbereitet waren, musste ich die Leine mit blossen Händen halten, während Heinz versuchte, ohne Schlangenlinien so direkt wie möglich zum Schiff zu kommen. Hier waren die 50 PS unseres Dingis wieder hilfreich – nur meine Arme fühlten sich danach doppelt so lang an. Vor der Yacht wurde es nochmals knifflig, das Boot so zu platzieren, dass wir keine Schäden oder Kratzer an den hochglanzpolierten Booten hinterliessen.
Während die Crew mit dem Anlegemanöver der Superyacht und der Platzierung des Ankers durch die Taucher beschäftigt war, hatten wir zusätzlich das Problem, Jerrys Leine aus unserem Propeller zu befreien, während wir das Boot übergaben. Irgendwie konnten wir uns doch noch von Jerry lösen. Ein kurzes Danke – und wir machten uns auf den Weg zum Restaurant. Endlich angekommen, hatten wir uns das Essen wirklich verdient. Gäste sprachen uns auf unsere Hilfsaktion an – sie hatten das Ganze beobachtet. Die Mannschaft der Superyacht konnte Jerry übrigens nicht helfen. Das einzige Beiboot war das, auf dem Jerry war.
Ein Foto zur Erinnerung.
Noch während des Abschleppens hatte ich Jerry gebeten, ein Foto von uns zu machen – er hatte ja ohnehin nichts zu tun. Ich dachte, niemand würde uns diese Geschichte glauben. Am Abend holten wir das Foto ab. Der Kapitän überraschte uns mit einer Flasche Rum als Dankeschön für unser Engagement.
Na dann, Prost auf die nächsten Abenteuer,
Sabine und Heinz
Information
- Bilder: Sabine Löwenthal
- Datum: Dezember 2024













