Wenn ich ein paar Jahre zurück denke, war ich schon auf dem Zürichsee ein blasses Häufchen Elend, wenn ich für Fotos aufs Wasser musste/durfte. Jetzt bin ich über den Atlantik gesegelt. Immer noch mit flauem Magen, aber unheimlich stolz, dass ich es dank meinem Kapitän geschafft habe. Danke mein Schatz.
Was für ein Ritt!
In sieben Tagen sind wir von Teneriffa nach Mindelo gereist. Wellen und Wind meinten es mal wieder gut mit uns. Die Wellen waren höher als unser Dingi auf der Plattform! Ich hatte mich entschieden nicht mehr rauszuschauen, oder wenigstens nur ab und zu. Wir hatten während der Fahrt den Parasailor ganze vier Tage oben. Das heisst durchgehend, Tag und Nacht. Wir hätten ihn wohl auch nicht runter bekommen, um ehrlich zu sein. Das haben wir dann auf der zweiten Etappe versucht. Später mehr dazu.
Weitere 16 Tage auf dem Sofa
Im Rumpf ächzt und kracht es wie verrückt. Da kann ich nicht schlafen. Also habe ich mir für die zweite Etappe mein Lager wieder im Salon eingerichtet. Ich habe für die längere Etappe aufgerüstet und meine Matratze vom Bett auf das Sofa gelegt. Eine gute Entscheidung! Zehn Tage haben wir in Capo Verde auf ein gutes Wetterfenster gewartet. Am 15. Februar sind wir losgesegelt. Einmal abgelegt, gab es kein Zurück. Die vorgekochten Menüs erleichterten Heinz die Arbeit am Herd. Schliesslich musste er das Schiff steuern, für sich kochen, kleine Reparaturen erledigen und mir meinen Tee zubereiten. Wenn ihr eine gute Diät wollt, überquert den Atlantik! In 16 Tagen sind 6 Kilogramm weg.
Alarm!
Wir hatten einige Alarme wegen Wassereinbruch. In der Bilge auf der backbord Seite und ausserdem in beiden Motorräumen. Heinz hat das gelassen genommen. Er hat das Wasser per Knopfdruck abgepumpt und meinte, darum kümmere ich mich morgen – und ging schlafen. Mir war das nicht recht. Aber die Alternative, selber und dann noch kopfüber auf dem Boden liegend das Leck zu suchen, schied für mich ebenfalls aus. Das Problem war auch am nächsten Tag noch da.
Drei Boote und zwei Frachter haben wir unterwegs gesehen. Wobei ein Franzose schon dreist war. Nachdem er drei Tage in gutem Abstand zu uns segelte, kam er am vierten Tag bis auf 400 Meter von Links in unsere Nähe. Als Heinz ihn anfunkte, was er vorhabe meinte er nur, das sei seine Ideallinie. Wir sollten doch ein bisschen schneller fahren. Wir wollten unser Vorfahrtsrecht nicht durchsetzen. Gesunken, aber hatte Vorfahrt… Wir haben reagiert und geflucht als der Funk aus war.
Unser Sorgenkind
Der Parasailor war die ersten Tage während der zweiten Passage wieder im Einsatz. Bei 18 Knoten Wind fragte ich, wann wir das Segel reinnehmen. (Die Empfehlung ist bei 15 Knoten.) Man kann bis 25 Knoten damit segeln, das stimmt, nur das Segel dann runterzubekommen, ist ein Abenteuer. Wer liebt das Abenteuer – Heinz! Eins der vier Seile des Segels war auf der Winsch. Die übrigen waren auf Anweisung des Kapitäns von mir gelöst worden. Sie hatten sich unkontrolliert losgerissen. Das Segel flatterte wie eine riesige 300 Quadratmeter grosse Fahne in 28 Meter Höhe. Ich hätte meinen letzten Fencheltee für ein Foto gegeben. Aber das hätte zu Punkt 2 und dann eventuell zu Punkt 3 der Gefahren auf einem Boot geführt.
- Feuer an Bord
- Streit auf dem Boot
- Mann über Bord
Wobei Punkt 2 und 3 in unmittelbarem Zusammenhang stehen können…
Also nur Kopf-Kino für euch und keine Bilder
Heinz lag wie ein Maikäfer auf dem Rücken und kämpfte mit den Leinen, dem Segel, dem Wind – wobei er immer mal wieder vom Deck abhob. Ich sollte die zweite Leine doch bitte von Hand anziehen, um sie auf die zweite Winsch zu legen. Sorry, ich hatte keinen Spinat zum Frühstück, sondern nur Tee.
Irgendwie haben wir es doch geschafft. Nach einer gefühlten Ewigkeit war der Parasailor versorgt. Wie wir dann gesehen haben, war er für den Rest der Überquerung tabu. Der Wind hatte das Segel aus der Verankerung am Mast gerissen. Die Öse aus Stahl, oben am Mast, war gebrochen.
Das Grosssegel wäre eine weitere Variante. Dafür hätten wir in die 3-4 Meter hohen Wellen segeln müssen, um es zu setzen. Keine gute Idee. Wir segelten die übrigen Tage mit der Genua. Sie konnte den Windverhältnissen sofort angepasst werden. Bei bis zu 35 Knoten Wind und den Wellen eine gute Entscheidung.
Nach 16 Tagen liessen wir den Anker vor Bridgetown auf Barbados runter. Geschafft! Yepee!
Endlich an Land war ich Landkrank. Heisst, es schaukelte an Land wie auf dem Boot…
Weitere Informationen zu unserer Atlantik-Überquerung findet ihr im Live-Blog hier auf der Website.
Bis bald
Information
- Bilder: Sabine Löwenthal
- Ort: Diverse
- Land: Teneriffa, Capo Verde, Barbados, St. Lucia
- Kontinent: Europa, Afrika, Nordamerika
- Datum: Februar und März 2022